Güterverkehrsmodell Ostregion GÜMORE

Das Forschungsprojekt modellierte erfolgreich den Güterverkehr in der Ostregion. Die Ergebnisse dienen unter anderem zur Einschätzung von langfristigen Verkehrsbelastungen und zur Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen.

Die Herausforderungen des Güterverkehrs sind in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der öffentlichen Verwaltung gerückt. Mit neuen City-Logistik Konzepten soll insbesondere die im urbanen Raum stark beanspruchte Infrastruktur entlastet und gleichzeitig die Servicequalität und Nachhaltigkeit des Güterverkehrs verbessert werden. Zudem sind für eine effiziente Planung und Straßenerhaltung fundierte Daten im Kontext des Güterverkehrs notwendig.

Basierend auf diesen Daten können nationale Güterverkehrsmodelle verwendet werden, um mittel- bis langfristige Entwicklungen des Verkehrs zu untersuchen und Auswirkungen verkehrspolitischer Maßnahmen (wie z. B. die Preisgestaltung für einen bestimmten Verkehrsträger) sowie von Infrastrukturprojekten zu simulieren. Dafür ist detailliertes Wissen über das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen von entscheidender Bedeutung, um darauf aufbauend fundierte Entscheidungen über die optimale Planung des Verkehrssystems treffen zu können.

Im Gegensatz zu relativ etablierten Vorgehensweisen im Rahmen von Personenverkehrsmodellen sind verlässliche Ansätze für Güterverkehrsmodellierung erheblich schwieriger zu finden. Zum einen sind die Entscheidungskriterien für die Handelnden im Güterverkehr komplexer strukturiert und zum anderen ist die Anzahl der Entscheidenden im System geringer. Zudem ist die Datenlage bruchstückhaft.

GÜMORE: Güterverkehrsmodell Region Ost

Diese beschriebenen Herausforderungen haben die Partner des im Rahmen des Forschungsförderungsprogrammes „Mobilität der Zukunft" vom BMK und der FFG geförderten Projektes GÜMORE dazu motiviert, die Entwicklung eines Verkehrsplanungsmodells für den Güterverkehr mit völlig neuer Qualität zu initiieren. Das Forschungsprojekt bestehend aus den Konsortialpartnern TU München, TU Graz, ECONSULT, Herry Consult und der BOKU Wien und geführt von ITS Vienna Region, hat sich zum Ziel gesteckt, ein prognosefähiges Güterverkehrsmodell für den Großraum Wien, Niederösterreich und das Burgenland zu entwickeln.

Die methodische Vorgehensweise bestehend aus Datenerhebung, Modellierung, Service-Portfolioentwicklung und Trendprognose, begann mit einer umfassenden Erhebung von Eingangsdaten.

1. Datenerhebung

Vor der Erstellung des Modells wurden Daten von der Statistik Austria, EUROSTAT, Herold, ÖBB, ASFINAG, Wirtschaftskammern und den statistischen Ämtern der Nachbarstaaten Österreichs angefragt, ausgelesen und für die Weiterverarbeitung einheitlich codiert. Mittels detaillierter Internetrecherche sowie der Kontaktaufnahme mit relevanten Unternehmen und Behörden fand zusätzlich eine vertiefende Hotspotanalyse für Standorte, die auf ein erhöhtes Verkehrsaufkommen schließen lassen, statt. Außerdem wurden wichtige Umschlagpunkte, wie Güterverteilzentren und Güterbahnhöfe erfasst.

Im Rahmen dieser Arbeiten konnten Daten zu folgenden Bereichen bereitgestellt werden:

  • Arbeitsstätten
  • Beschäftigte am Arbeitsort
  • Güterströme national und international (räumlich stark aggregiert nach Gütergruppen NST)
  • Gütertransportaufkommen- und Leistungsdaten
  • Standorte mit besonderer Relevanz: Güterverteilzentren, Hotspots der Güterproduktion und –Attraktion, Güterbahnhöfe
  • Verhaltensinformationen Entscheidungsträger
  • Aufbereiteter Verkehrsgraph
  • Basisdaten für Kurier-Express-Paket-Verkehr, z.B. Marktteilnehmer und Marktanteile, Hub-Standorte, Paketaufkommen
2. Modellierung

Die erhobenen Daten wurden mit Hilfe einer im Rahmen des Projektes entwickelten Simulationssoftware genutzt, um die Verkehrsbelastung im Straßennetz zu modellieren. Dabei wurden klassische Ansätze der Verkehrsmodellierung um innovative Methoden, die zur Modellierung des Schwerverkehrs notwendig sind, ergänzt. Zum Beispiel kommt ein regelbasierter Ansatz zur Verkehrsmittelwahl und für Umladevorgänge zum Einsatz. Die entsprechenden Regeln wurden für die unterschiedlichen Warengruppen von Logistik-ExpertInnen definiert und dann in Programmcode übersetzt. Dadurch können logistische Entscheidungsprozesse, die spezifisch in der Ost-Region gültig und relevant sind, in der Modellierung berücksichtigt werden.
 
Die Modellierungssoftware ist als Open Source Tool unter diesem Link verfügbar.
 

Die aus dem Modell gewonnenen Ergebnisse, konkret die Zahl der LKW-Fahrten im Straßennetz, zeigen eine gute Übereinstimmung mit den verfügbaren Zählwerten. Durch den regelbasierten Ansatz für Transportmittelwahl und Umladevorgänge konnten die komplexen Zusammenhänge im Gütertransport detailliert modelliert werden. Die Einbeziehung von lokalen Hot Spots der Güterproduktion und -attraktion ermöglichte es, auch regionale Besonderheiten, die nicht oder zu schwach in den sozioökonomischen Strukturdaten abgebildet sind, darzustellen. Ein weiterer Fokus wurde auf die Fahrten von Paketdienstleistern gelegt, um dem wachsenden Güterverkehr in diesem Segment gerecht zu werden.

3. Service-Portfolio

Besonderes Augenmerk wurde in einem weiteren Schritt den potenziellen NutzerInnen der Projektergebnisse geschenkt. Dazu wurden wichtige Stakeholder identifiziert und im Rahmen von Vor-Ort-Befragungen und Workshops befragt, um einen strukturierten Anforderungskatalog zu erstellen. Basierend auf den erarbeiteten Anforderungen und einer Machbarkeitsanalyse wurden in der Folge fünf Service Module definiert:

  • Information zu Güterverkehrsknoten: Das Service liefert Informationen über Verkehrsbelastungen an/bei Güterverteilzentren.
  • Standort- und Kapazitätsplanung: Das Service unterstützt bei Standortplanung und Dimensionierung des Standorts.
  • Support strategische Transportplanung: Das Service unterstützt bei der Sichtbarmachung von Auswirkungen von Infrastrukturveränderungen.
  • Information zum Transportaufkommen: Das Service soll mit Hilfe von Quellen- und Senken Analysen Bündelungsmöglichkeiten aufzeigen.
  • Auswirkungen öffentlicher Maßnahmen: Das Service bietet Informationen über Auslastung sowie das Aufzeigen fehlender öffentlicher Infrastruktur.

4. Trendprognose

Schließlich wurde die Modellsoftware um ein Modul zur Erstellung von Szenarien und Prognosen erweitert. Für die Trendprognose wurde das Zukunftsjahr 2030 gewählt. Die prognostizierten Strukturdaten wurden in die Datenbank importiert und auf Basis dieser Daten entsprechende Ergebnisse berechnet. Der Vergleich zwischen Bestandsmodell und Prognose verdeutlichte die Sensitivität des Modells und damit seine Anwendbarkeit für weitere Szenarien- und Prognoserechnungen.

 

Zusammenfassend betrachtet hat das Projekt eine solide Basis für die Modellierung des Güterverkehrs in der Ost-Region geschaffen. Dabei kam eine innovative Kombination verschiedener methodischer Ansätze zum Einsatz. Damit konnte sowohl eine inhaltliche Lücke geschlossen, als auch ein methodologischer Fortschritt erzielt werden. Darauf aufbauend ist es nun möglich, das Modell so weit zu adaptieren, dass weitere praktische Fragestellungen von Stakeholdern beantwortet und zusätzliche Methoden zur Güterverkehrsmodellierung entwickelt und untersucht werden können.

Fazit

Verlässliche Güterverkehrsmodelle dienen Stakeholdern aus der Logistik einerseits bei Fragen zur Einschätzung von langfristigen Verkehrsbelastungen oder zur Standortwahl. Andererseits sind sie ein zentrales Werkzeug für Infrastrukturbetreiber und die öffentliche Hand zur quantitativen Bewertung von Maßnahmen zur Entlastung der Verkehrsinfrastruktur und der anwohnenden Bevölkerung bei gleichzeitiger Sicherstellung der Erreichbarkeit und Versorgung mit Gütern und Leistungen. Eine Steuerung durch die öffentliche Hand braucht verlässliche Planungsgrundlagen. Das Projekt GÜMORE hat einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Dieses hat auch im weltweiten Vergleich, als Referenzbeispiel Sichtbarkeit erlangt, da auf Grund der begrenzten verfügbaren Daten im Güterverkehr nur wenige vergleichbare Projekte existieren.

Über eine Fortführung des Projekts, zum Beispiel für den Bereich der Straßenzustandsbewertung oder im Sinne einer Weiterentwicklung zu einem für weitere Stakeholder verfügbaren Service, wird aktuell diskutiert.

Verkehrsmodelle sind ein wertvolles Werkzeug zur Planung von Verkehrsinfrastruktur und zur Bewertung von Maßnahmen unterschiedlicher Akteure. GÜMORE hat für den Logistikbereich in der Ost-Region eine Lücke geschlossen und steht nach der Forschungsphase nun zur praktischen Anwendung bereit.

Roland Lukesch, ITS Vienna Region

Ansprechpartner GÜMORE:

Mag. Roland Lukesch
ITS Vienna Region
roland.lukesch@its-viennaregion.at

 

Datum Veröffentlichung: 09.08.2021