Urbane Logistik-Hubs
Durch die zunehmende Urbanisierung und das Wachstum innerstädtischer Warenströme stoßen Interessen unterschiedlicher Gruppen in der Stadt häufiger aufeinander.
Immer dringender stellt sich die Frage, wie die Entwicklung von Warenströmen im urbanen Umfeld nachhaltiger gestaltet werden kann, um die zunehmend komplexen Anforderungen zu bewältigen. Im Bereich der City-Logistik steigt in dieser Hinsicht der Handlungs- und Lösungsbedarf.
Einerseits führt wachsender E-Commerce zur Steigerung der Anzahl von Kleinsendungen, insbesondere in den Innenstädten, und trägt dort zum Verkehrswachstum bei. Andererseits werden Touren vorranging auf Einzelunternehmensebene optimiert, das die Gefahr von niedrigen Beladungsgraden und Leerfahrten birgt. In der Folge beeinträchtigen die Auswirkungen des Güterverkehrs (Luftschadstoff-Emissionen wie z.B. Feinstaub, Lärm) die Lebensqualität der Menschen im gesamten Stadtgebiet. Gleichzeitig herrscht in Ballungsräumen zunehmende Flächenknappheit und innerstädtische Logistikflächen werden vermehrt an den Stadtrand verlagert, was den Verkehr zusätzlich erhöht.
Um City-Logistik nachhaltig zu gestalten braucht es neue Wege zur Effizienzsteigerung und Effektivitätssteigerung bei gleichzeitig niedrigerem Rohstoff-, Energie- und Flächenverbrauch sowie neue Organisationsformen, um die notwendigen Warenlieferungen bündeln und konsolidieren zu können. Eine Möglichkeit bieten sogenannte Logistik-Hubs, also neue, zusätzliche Knotenpunkte, die eingeführt werden, um als Umschlagsbasis und Verteilerzentren zu dienen und eine Reihe anderer Funktionalitäten beinhalten können.
Auf der Suche nach vielversprechenden Lösungen zu oben genannten Herausforderungen wurden im Rahmen des Programms „Mobilität der Zukunft" F&E-Projekte gefördert, die sich mit urbanen Logistik-Hubs und Möglichkeiten diese kooperativ zu nutzen beschäftigen.
Im Folgenden werden eine Reihe dieser geförderten F&E-Projekte dargestellt.
Kooperativ genutzter innerstädtischer Hub für Kleinsendungen - GrazLog
Im F&E-Projekt GrazLog werden innovative Möglichkeiten erarbeitet die „letzte Meile" des Warentransports in Innenstädten durch Optimierung umweltfreundlicher zu gestalten. Dazu wird im Rahmen des Projektes ein städtisches Konsolidierungszentrum, also ein sogenannter City Hub, etabliert. Dieser ermöglicht die zentrale Manipulation von Waren und Paketen für die Anlieferung aber auch die Retournierung von Sendungen. Um eine optimale Lösung für den Hub zu finden wurden Standort- und Erreichbarkeitskriterien analysiert und natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen einbezogen. Zusammen mit den möglichen Nutzungs- und Betreibermodellen dienten diese Erkenntnisse als Entscheidungsgrundlagen um das Konsolidierungszentrum zu einzurichten.
Durch die Wahl eines neutralen Kooperations- und Betreibermodells ist es unterschiedlichen Liefer- und Logistikunternehmen (KEP-Dienstleistern) möglich den City Hub kooperativ zu nutzen und die gewünschte Koordination und Kooperation bei der Warenlieferung zu erreichen. Zusätzlich werden für den Transport auf der letzten Meile umweltfreundliche Lieferfahrzeuge wie Lastenfahrräder oder Elektrofahrzeuge eingesetzt.
Koordinierung der Lieferungen und Umstieg auf umweltfreundliche Lieferfahrzeuge auf der „letzten Meile“ sollen zukünftig zur Verkehrsentlastung der Grazer Innenstadt beitragen. Weniger Lärm, Abgase und parkende Lieferfahrzeuge attraktiveren den Standort Innenstadt für Wirtschaft und BesucherInnen gleichermaßen.
Die Umsetzung des Hubs erfolgt im Rahmen der Pilotierungsphase, um Erkenntnisse aus dem realen Betrieb gewinnen und zur weiteren Umsetzung nutzen zu können. Nach dem Projektende im August 2021 wird der Pilotbetrieb durch eine Förderung der Stadt Graz zwei Jahre weitergeführt. Danach soll über einen dauerhaften Betrieb entschieden werden.
In weiterer Folge können diese Erkenntnisse gemeinsam mit den Ergebnissen der Projekte geförderten F&E-Vorhaben INNS'PAKET aus Innsbruck und KLIMA LOGISCH aus Lienz für andere Anwendungsfälle kooperativ genutzter Hubs verwendet werden.
Standortwahl und Analyse von Kooperationsmöglichkeiten in kooperativ genutzten innerstädtischen Güterzentren mittlerer Größe - MiHu
Urbane Räume sind von zunehmender Flächenknappheit geprägt. Wachsende Branchen wie Kurier-Express-Paket-Dienstleister (KEP) werden zukünftig vor der Herausforderung stehen nach verfügbaren Flächen für den Umschlag in urbanen Gebieten suchen zu müssen.
Im Projekt MiHu wurden Möglichkeiten für die Einrichtung urbaner Güterzentren mittlerer Größe, sogenannter Midi-Hubs, als Ergänzung zu bestehenden Güterverteilzentren am Stadtrand näher untersucht. Ein solcher Midi-Hub dient dazu einen größeren Stadtteil mit Gütern zu versorgen und kann von mehreren KEP-Dienstleistern gemeinsam genutzt werden.
Ziel des Projektes war es einerseits einen idealen Standort für den Midi-Hub in der Stadt Wien zu ermitteln und andererseits durch die Entwicklung eines kollektiven Zielsystems ökonomische, ökologische und soziale Interessen der unterschiedlichen Stakeholdergruppen (Stadtverwaltung, BürgerInnen, KEP-Dienstleister) in die Bewertung einzubeziehen. Zudem wurden verkehrliche Auswirkungen von Midi- Hubs untersucht und eine „Landkarte" mit chronologischen Handlungsanweisungen für die Umsetzung, kooperativ genutzter Hubs mittlerer Größe, ausgearbeitet.
Erste Ergebnisse zeigen, dass besonders die kooperative Zusammenarbeit der einzelnen Logistikdienstleister auf der letzten Meile zu positiven Effekten im städtischen Verkehr wie z.B. Emissionsreduktionen führen kann.
Das Projekt MiHu liefert dabei wertvolle Erkenntnisse zu den Anforderungen verschiedener Stakeholder, Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung und den zu erwartenden Auswirkungen auf das Verkehrssystem. Dies unterstützt uns in der Planung weiterer Schritte auf dem Weg zu einer möglichen Umsetzung des Konzepts.
Eine erste Abschätzung der Umweltauswirkungen von Midi-Hubs zeigt, dass bei Annahme einer vollständigen Elektrifizierung der KEP-Fahrzeugflotten zusätzliche Emissionsreduktionen erzielt werden können. Zusätzlich ist gemäß dieser Abschätzung auch eine Verringerung der gefahrenen Kilometer möglich.
Nachhaltiges, kooperatives, zweistufiges Distributionssystem für Kleinsendungen in der Stadt Wien – KoopHubs
Die Zahl der Kleinsendungen wird in den nächsten Jahren stetig ansteigen. Einen vielversprechenden Lösungsansatz für diese Herausforderung der Citylogistik stellen zweistufige Distributionssysteme dar. Im Rahmen des Projekts KoopHubs entsteht in Wien nun ein solches stadt-übergreifendes, zweistufiges Logistikkonzept mit skalierbaren Mikro-Hubs bzw. Stadtteil-Hubs sowie einem City Distribution Center an der Stadtgrenze. Dieses Konzept ermöglicht es das gesamte Sendungsaufkommen außerhalb der Stadtzone zu konsolidieren und verkehrstechnisch optimal in die Bezirke zu befördern.
Ausgehend von den Mikro- bzw. Grätzl- Hubs erfolgt die zweite Stufe der Verteilung der urbanen Kleinsendungen mit Lastenfahrrädern und emissionsarmen, größeren Transportmitteln. Zusätzlich werden die logistischen Mikrohubs um soziale Zusatzfunktionen für AnrainerInnen erweitert, um ihren nachhaltigen Nutzen und mögliche Serviceangebote im Zusammenspiel mit der Logistikfunktion zu untersuchen.
Gleichzeitig wird dazu ein wirtschaftlich nachhaltiges Betreiber- und Geschäftsmodell entwickelt, das vor allem Akteure der Lieferkette und potenzielle Betreiber adressiert. Durch branchenübergreifende Unternehmenskooperationen erfolgt die Gründung logistischer Strukturen und dient in weiterer Folge als Instrument einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Durch Kombination logistischer Basisinfrastruktur und dem Angebot sozialer Aktivitäten als synergiegetriebene Zusatzkomponente, erweitern wir den traditionellen Blickwinkel der City-Logistik. Neben der intelligenten Kombination aus Lastenrädern und e-LKWs soll die Anrainerakzeptanz erhöht werden.
Nutzbarkeit von ÖV-Betriebsflächen für nachhaltige City-Logistik - RemiHub
In dicht bewohnten Ballungsräumen sind freie zentral gelegene Flächen Mangelware. Die Idee des Projekts RemiHub ist es, bestehende zentral gelegene Flächen des öffentlichen Verkehrs temporär als urbane Logistik-Hubs mit zu nutzen. Mittels eines Hub & Spoke-Modells (einer Speichenarchitektur bei der die Verbindung zwischen zwei Endknoten nicht direkt, sondern über einen Zentralknoten – also einen Hub- erfolgt) wird die Zustellung auf den letzten Kilometern mittels Lastenrädern und zukünftig auch mittels eTransportern oder automatisierten Fahrzeugen (des ÖV) organisiert.
Ein wesentlicher Inhalt des Forschungsprojektes ist die Klärung der technisch- organisatorischen sowie rechtlichen Anforderungen zur Errichtung neuer temporärer Hubstandorte sowie die Konzeption einer multimodalen (motorisiert, nicht-motorisiert, automatisiert, schienengebundenen) Abwicklung der neu entwickelten Logistikkette. Die Stadt Wien und das ÖV-System der Wiener Linien dient dafür als Pilot- und Testgebiet und ermöglicht die Erschließung neuer innerstädtischer Logistikflächen.
Das Projekt konnte bereits dazu beitragen ein neues Rollenverständnis von Stakeholdern der Stadt Wien zu etablieren und ein neues Selbstverständnis zur temporären Hub-Nutzung zu entwickeln. Das Konzept ist umsetzbar und hat sich als skalierbar erweisen.
City-Logistik spielt auch im Koalitionsabkommen 2020 der neuen Wiener Stadtregierung eine Rolle. Darin wird „RemiHub" sogar als mögliches Beispiel zur Etablierung einer nachhaltigen City-Logistik genannt.
RemiHub gewann 2020 den "Innovation in Politics Awards" in der Kategorie "Lebensqualität" und ist somit erster österreichischer Preisträger dieser Auszeichnung.
Beim VCÖ-Mobilitätspreis Wien gewann das Projekt 2021 eine Auszeichnung als vorbildliches Projekt.
Ab dem Frühjahr 2022 wird RemiHub Teil einer Wanderausstellung zum Thema Bodenversiegelung und dem Umgang mit der Ressource Boden sein. RemiHub wird dabei als positives Beispiel zum Schwerpunktthema Transport und Logistik und dem damit verbundenen Flächenverbrauch gezeigt. Die erste Station wird Waidhofen an der Ybbs Mitte Januar 2022 sein.
Kooperative Nutzung innerstädtischer Logistikflächen - Community Hub
Der Mangel freier innerstädtischer Logistikflächen legt die kooperative Nutzung von Logistikknotenpunkten nahe. Das Ziel des Projekts CommunityHub war die Durchführung einer Potenzialanalyse kooperativer Nutzung innerstädtischer Logistikflächen, sowie die Untersuchung möglicher Risiken dabei. Gleichzeitig wurden Lösungsvorschläge für Mehrfachnutzungskonzepte urbaner Mikro-Logistikknotenpunkte erarbeitet.
Diese neuartigen Knotenpunkte sollen die Versorgung der Bevölkerung mit logistischen Dienstleistungen gewährleisten und dabei die gleichberechtigte Zugänglichkeit für alle Akteure (Stadt, BewohnerInnen, Wirtschaft) ermöglichen. Das innovative Konzept soll Logistikaktivitäten (z.B. Lagerflächen, Paketübergabestellen) vereinigen und auf einem Open-Source-System basieren, welches alle KEP-Dienste implementieren können. Damit kann das Projekt einen Beitrag zur Lösung der First- bzw. Last-Mile-Problematik leisten, wodurch die Zustellbarkeit von Paketen erhöht und gleichzeitig CO2-Emissionen reduziert werden können. Zudem werden durch die im Konzept vorgesehene Neu- bzw. Um- Nutzung von z.B. leerstehender Geschäftsflächen durch Micro-Hubs, Erdgeschosszonen aufgewertet. Diese verfügen dann über Paket-Übergabestellen (z.B. Packstationen, Paketshops) in Kombination mit Lagermöglichkeiten sowie weitere Zusatzdienstleistungen (z.B. Entsorgungsstationen von Verpackungsmaterial oder Umkleidekabinen zum Anprobieren online bestellter Waren).
Auf Basis der durchgeführten Potentialanalyse konnten konkrete Umsetzungsstrategien organisatorischer und technischer Art entwickelt werden um leerstehende Flächen nachhaltig zu nutzen. Aber auch mögliche Risiken solcher Konzepte wurden mittels eines eigens dafür konzipierten Framework-Designs evaluiert.
Veranstaltung zu kooperativ genutzten Logistik-Hubs
Ein Roundtable zu kooperativ genutzten Logistik-Hubs fand am 19. Oktober 2020 in virtueller Form statt. Ziel des Workshops war es einen Rahmen für den Austausch unter den VertreterInnen der geförderten F&E-Projektpartner sowie VertreterInnen des KEP-Ressorts und des Zentralverbands Spedition & Logistik zu schaffen und damit eine Diskussion zu kooperativ genutzten Logistik-Hubs zwischen VertreterInnen aus der Praxis und der Forschung zu initiieren.
Während des Roundtable hatten die F&E Projekte die Möglichkeit ihre Inhalte zu präsentieren und anschließend bereits erarbeitete Projekterkenntnisse zu den Schwerpunktthemen Nutzung öffentlicher Flächen, Betreibermodelle, rechtliche Rahmenbedingungen sowie zum Wettbewerbs- und Kartellrecht vorzustellen.
Damit reihte sich die Veranstalltung in die Bemühungen des BMK ein die Vernetzung der F&E-Projekte untereinander und mit Praxispartnern zu fördern indem jährlich Workshops in Kooperation mit der FFG und der AustriaTech veranstaltet werden.
Datum Veröffentlichung: 15.01.2021