MobiLab – Wirtschaftsinduzierte Mobilität im Zentralraum Oberösterreich gestalten

Das MobiLab Oberösterreich ist am Campus Steyr der Fachhochschule (FH) Oberösterreich angesiedelt. Dieser Standort macht für das Labor aus doppelter Hinsicht Sinn. Erstens ist die Region über Jahrzehnte durch die Automobilindustrie im Bereich der Mobilität auch über die Landesgrenzen bekannt und zweitens sind es die ansässigen Betriebe und deren Mobilitätsbedarfe, die das zentrale Forschungsfeld des Labors darstellen. Wir treffen Melanie Juppe und Florian Hofbauer in einem Seminarraum des Campus Steyr zum Gespräch, während draußen die angespannte Konzentration der gerade laufenden Aufnahmegespräche die Gänge beherrscht.

Von Kathrin Raunig und Mathias Mitteregger, 24.05.2022

Hallo Melanie, hallo Florian! Könnt ihr beide euch ganz kurz vorstellen?

Melanie: Mein Name ist Melanie Juppe. Ich bin seit 2019 an der FH Oberösterreich und fürs Mobilitätslabor Oberösterreich, MobiLab, tätig. Meine Kernthemen sind das überbetriebliche Mobilitätsmanagement für Unternehmen, Last Mile Logistik, ich gestalte aber auch unsere Webseite und plane Veranstaltungen im Haus. Die neue MobiLab- Homepage wird momentan für die neue Betriebslaufzeit bzw. zweite Förderphase des Mobilitätslabors adaptiert. Generell überschneiden sich unsere Themen und Tätigkeiten auch oft und wir unterstützen uns gut gegenseitig.

Florian: Ja, wir helfen uns in vielen Themen oft gegenseitig! Schon alleine deswegen, weil wir inhaltlich sehr viele Themenbereiche abdecken. Mein Name ist Florian Hofbauer und ich bin seit 2018 an der FH Oberösterreich tätig. Ich darf das MobiLab seit ein paar Monaten inhaltlich beim Thema der Identifikation nachhaltiger Verkehrsflotten und den dafür notwendigen Infrastrukturen unterstützen. Dabei geht es hauptsächlich um die Umstellung auf Elektro- und Wasserstoff-Flotten. Aktuell schauen wir uns das Thema vorwiegend im Bereich Gütertransport sowie im öffentlichen Personentransport an und haben dazu gerade zwei Kurzstudien erstellt. Ansonsten darf ich Melanie im Bereich Datenanalyse unterstützen. Ich liebe Zahlen und beschäftige mich vor allem mit Emissionen, was im Bereich Mobilität natürlich immer ein großes Thema ist.

Ihr arbeitet im MobiLab ja an unterschiedlichen Themen, die im Zusammenhang mit wirtschaftsinduzierten Mobilitätsherausforderungen stehen. Könnt ihr ein wenig von euren Schwerpunkten erzählen? Was glaubt ihr, dass ihr (teilweise) schon erreicht habt? Mit welchen Akteuren arbeitet ihr zusammen?

Melanie: Ganz aktuell sind wir mit dem MobiLab bei der ISPIM-Konferenz [International Society for Professional Innovation Management] in Kopenhagen vertreten. Da gibt es eine spezielle Session zu Living Labs und wir bringen in diese den Aspekt scientific support, also wissenschaftliche Grundlagen und Unterstützung, ein.

Florian: Genau, dieses Angebot der wissenschaftlichen Begleitung ist ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt für uns, da wir durch unseren Standort an der FH Oberösterreich dafür ideale Voraussetzungen haben. Wir können die ganzen Strukturen einer Fachhochschule nutzen und uns mit Kollegen und Kolleginnen aus den Bereichen Logistik und Unternehmensführung austauschen und vernetzen.

Melanie: Wir sind auch Partner im Leitprojekt DOMINO. Im Leitprojekt wurde eine Mobility as a Service-Mitfahr-App entwickelt und wir arbeiten mit ausgewählten Unternehmen und Gemeinden zusammen, um weniger Autos auf den Straßen zu haben. Die DOMINO-App wurde aufgrund des hohen Stauaufkommens in der Linzer Industriezeile entwickelt. In diesem Gebiet pendeln täglich 10.000ende Personen nach und aus Linz. Gerade in der Industriezeile sind sehr große Unternehmen mit vielen Mitarbeiter:innen ansässig. Die DOMINO-App soll das Mitfahren fördern und somit die Stauproblematik verbessern. In diesem Zusammenhang sind wir im guten und engen Kontakt mit den Unternehmen und umliegenden Gemeinden im Norden von Linz. Diese gute Gesprächsbasis mussten wir aber erst aufbauen. Vor allem zu Beginn, im Jahr 2019, war das noch sehr herausfordernd. In dieser Zeit sind vor allem Wolfgang [Schildorfer] und ein ehemaliger Kollege oft nach Linz gefahren und haben das Mobi.Lab und das Thema vorgestellt. Die meisten Akteure und Akteurinnen wollten auch Lösungen finden, aber das konkrete Tun und die Finanzierung dafür kamen erst etwas später, auch weil dann die Corona-Pandemie noch dazwischengekommen ist und das Thema Mitfahren dadurch auf Eis gelegt wurde.

Wechseln wir das Thema zu dem Bereich der Flotten, die ja auch einen wesentlichen Teil eurer Arbeit ausmachen. Florian, du hast gesagt, dass du gerne mit Zahlen jonglierst: Um welche Zahlen handelt es sich da konkret?

Florian: Hauptsächlich geht es um Emissionswerte und zu erwartende Kosten, weil sowohl beim Gütertransport, als auch beim Personentransport die gesetzlichen Vorgaben strenger werden und damit die Unternehmen ihre Flotten umstellen müssen. Beim ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr) ist es so, dass die Clean Vehicles Directive der EU (CVD) schlagend wird. Hier werden die städtischen Betriebe dazu verpflichtet, dass 45% der Niederflur-Busflotte bis 2025 sauber und die Hälfte davon emissionsfrei sein müssen. Bis 2030 müssen es sogar 65% sein und auch hier muss die Hälfte davon emissionsfrei sein. Falls ihr euch fragt was „sauber" bedeutet, das ist in der CVD je nach Fahrzeugkategorie unterschiedlich definiert und bedeutet bei großen Linienbussen lediglich, dass diese mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden müssen. Diese Quoten lösen einen starken Bedarf an Bussen mit alternativen Antrieben aus. Für viele Unternehmen ist aufgrund der Komplexität und Schnelllebigkeit des Themas unklar, was eine Flottenumstellung ökonomisch und ökologisch für sie bedeuten würde.

Wir als MobiLab können diese Unternehmen unterstützen, indem wir ein anwendungsspezifisches Informationspaket schnüren und Auskunft über zu erwartende Kosten und Emissionseinsparungen geben. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns z.B. mit dem Förderungskonzept EBIN (Emissionsfreie Busse und Infrastruktur). Diese Bundesförderung deckt bis zu 80% der Mehrinvestitionskosten bei der Anschaffung von sauberen Fahrzeugen ab und ist somit ein wesentlicher Treiber für den Markteintritt neuer Technologien wie Elektromobilität und Wasserstoff. Wir helfen auch dabei darzustellen, wie viele Emissionen durch die Flottenumstellung eingespart werden können, da das bereits im Förderansuchen angegeben werden muss. Das MobiLab hat erst kürzlich eine Studie für eine Flottenumstellung von Diesel-Bussen auf Wasserstoff-Busse erstellt, um die zu erwartenden Kosten und Emissionseinsparungen klar darzustellen. Wir möchten diese Studie bald allen auf unserer Website zugänglich machen.

Melanie: Wir sehen uns als MobiLab auch als Auskunftsgeber und Unterstützer für Unternehmen. Es fehlt oft das Wissen, welche Möglichkeiten es bezüglich Mobilität gibt und wie die Finanzierungsstruktur dahinter aussehen kann. Es ist ein großer Teil unserer Tätigkeit, sozusagen als Informations- und Wissensdrehscheibe im Bereich der betrieblichen Mobilität und für den Betrieb professioneller Flotten zu fungieren.

Sehr schön! Könntet ihr uns noch ein wenig erzählen, wie ihr das Mobilitätslabor sowie seine Themen in die Lehre an der FH Oberösterreich einbringt und umgekehrt Inhalte oder Inspiration aus der Lehre in das Mobilitätslabor reinträgt?

Melanie: Ja, wir machen tatsächlich beides! Wir bereiten Themen für Lehrveranstaltungen auf, z.B. Best Practices oder Erfahrungen aus Projekten, die wir oder unsere Kollegen und Kolleginnen gemacht haben. Und es ist auch so, dass Studierende ihre Praktikumserfahrungen aus Unternehmen einbringen. Da findet ein produktiver Austausch statt.

Florian: Da möchte ich noch zwei Punkte ergänzen: Wir haben einerseits eine Sammlung unserer Forschungs- und MobiLab-Projekte mit Kurzbeschreibung, die sich die Lehrenden durchschauen und mit uns in Kontakt treten können, wenn sie Informationen für ihre Lehre haben wollen. Und andererseits gibt es dann auch Studierende, die sich für das eine oder andere Projekt interessieren und dazu eine Masterarbeit schreiben wollen. Die betreuen wir dann natürlich mit und erhalten so auch Zusatzinformationen für unsere Arbeit.

Melanie: Außerdem machen wir noch das sogenannte Schulmarketing: Wir halten Vorträge zu Logistik-Themen für Oberstufenschüler:innen. Die Klassen kommen entweder zu uns an die FH Oberösterreich oder wir gehen zu ihnen in die Klasse. Im Rahmen des Mobi.Lab halten wir Vorträge zum Thema Nachhaltigkeit und nachhaltiger Transport. Wir wollen die Schüler:innen dazu bringen, dass sie sich überlegen, woher und wie ihre Nahrungsmittel, ihre Kleidung, etc. kommen, aber auch wie die Produkte hergestellt wurden. Mit diesen Vortragstätigkeiten möchten wir schon bei den jüngeren Generationen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen.

Und welche Anliegen werden von den Betrieben und Mitarbeitenden an euch herangetragen? Was beschäftigt die Personen, die den Kontakt zu euch suchen?

Melanie: Unternehmen melden sich bei uns, wenn sie Informationen zu bestimmten Mobilitätsthemen fachgerecht aufbereitet brauchen. Gegebenenfalls veranstalten wir auch Workshops im Unternehmen, um gemeinsam Problemlagen offenzulegen und Lösungen zu erarbeiten. Dafür nutzen wir gerne auch unseren mobilen „creative space".

Florian: Wir gehen auch aktiv auf Unternehmen zu. Je nachdem wie weit die verschiedenen Projekte fortgeschritten sind, ob es z.B. schon eine Idee gibt und es fehlt an der Umsetzung oder ob es noch gar keine Idee für eine Mobilitätslösung gibt - dann bauen wir erst einmal ein Grundwissen in den Unternehmen auf – können wir sie mit unserer Expertise unterstützen. Dadurch, dass das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz mittlerweile schon so allgegenwärtig ist, findet man in den Firmen schnell Anknüpfungspunkte. Wir haben mit Steyr einen günstigen Standort, weil hier viele verschiedene große Firmen aus der Fahrzeugherstellung ansässig sind, die an Studien interessiert sind und natürlich auch Projekte umsetzen wollen. Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass wir auf den öffentlichen Sektor zugehen und eruieren, was machbar ist und was nicht.

Abschließend wollen wir euch fragen, ob es ein besonderes Erlebnis oder Projekt (gerne auch mehr davon) gegeben hat, an dem ihr für euch gesehen habt, was das Potenzial einer engen Kooperation zwischen den Betrieben und ihren Mitarbeitenden, euch und anderen Akteuren vor Ort ist oder sein kann?

Melanie: Bei mir ist das nicht ein bestimmtes Erlebnis oder Projekt, sondern es sind viele, kleine Momente und Erlebnisse in den Projekten, an denen ich immer wieder sehe, dass die Projekte wirklich einen Nutzen und Sinn für die Bürger:innen und die weiteren Akteure und Akteurinnen haben. Wir sehen das, wenn bspw. die gemeinsam erarbeiteten Mobilitätslösungen wirklich einen Mehrwert bringen. Mit der DOMINO OÖ App hoffen wir, dass sie wirklich viele Leute am Weg zur Arbeit unterstützt und das Stauproblem verringert. Das macht meine Arbeit sinnvoll. Diese Lösungen sind auch direkt im Alltag anwendbar und nichts Abstraktes. Mir gefällt der Austausch mit den unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen sehr gut! Ich finde es sehr sinnvoll, dass wir sehr nah an den Bedürfnissen, Meinungen, Ängsten und Sorgen der Bürger:innen, Schüler:innen, den Gemeinde-Bediensteten sowie Personen aus Unternehmen sind und für mich ist es erfüllend, wenn wir gemeinsam etwas verbessern können.

Florian: Mir ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziokulturellem – sehr wichtig und dass alle relevanten Akteure entsprechend eingebunden sind. Am spannendsten finde ich es, daran zu arbeiten wissenschaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse von Forschungsarbeiten in die Praxis einfließen zu lassen. Das ist oft ein etwas mühsamer und langwieriger Prozess. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass jemand wie das MobiLab hier vermittelt, anstößt oder unterstützt. Wenn die Projekte dann in der Praxis umgesetzt werden, ist das ein tolles Gefühl.

Liebe Melanie, lieber Florian, herzlichen Dank für das Gespräch!