KAR-IN - Testinfrastruktur für schienenzentrierte Mobilitätsformen der Zukunft

KAR-IN ist das derzeit jüngste Mobilitätslabor, welches sich in Kärnten befindet. Hier wird unter anderem ein Rahmen geschaffen, um teils automatisierte Schienenfahrzeuge, sowie Bahnhofsausgestaltungen testen zu können. Wir treffen Martin Novak – den Leiter des Innovationslabors - im Rahmen der 10. KAMÖ-Sitzung in Salzburg zum Interview, das er gemeinsam mit Andreas Mühlsteiger und Ursula Novak in der Region Kötschach-Mauthen betreibt.

von Stefanie Blank & Natasa Hodzic-Srndic 

Danke, dass du dich mit uns im Rahmen der 10. Sitzung für das Interview zusammensetzt. Darf ich dich bitten, dich kurz vorzustellen?

Mein Name ist Martin Novak und ich bin der Leiter des Innovations- und Mobilitätszentrums KAR-IN in Kötschach- Mauthen. Von meiner Ausbildung her bin ich gelernter Informatiker, Leittechniker und im Bereich Forschung und Entwicklung seit ungefähr 20 Jahren tätig. Spezialisiert habe ich mich auf den Bereich Eisenbahn, also das System Bahn, Messdatenerhebung und Messdatenübertragung. Zusammen mit meinem Team kommt zusätzlich die Spezialisierung im Bereich Digitalisierung und digitale Transformation hinzu, sowie Forschungsinnovationen allgemein. Zu diesem konkreten Thema sind wir auch über unsere Forschungsarbeiten gekommen. In Folge darauf sind wir auch mit der Gailtalbahn in Kontakt gekommen. Aktuell arbeiten wir in diesem Zusammenhang in Richtung Innovation und Mobilitätslabor weiter. Mit dem Mobilitätslabor KAR-IN – also Karnische Region Innovationslabor – können konkret Forschungsprojekte, die sich mit dem System Bahn beschäftigen, umgesetzt werden.

Welche Möglichkeiten und Angebote bietet ihr als Mobilitätslabor an?

Grundsätzlich bieten wir Angebote zu vier großen Säulen im Rahmen des Mobilitätslabors an: Energie, Umwelt, Klima und Mobilität. Alle diese vier Themenschwerpunkte spielen zusammen – es geht um Klimawandel, Energiewende und die Nutzung neuer Technologien. Diese Themen werden im Gailtal bereits behandelt. Es gibt eine Ökostromerzeugung, umweltfreundliche Lebensweisen herrschen vor und es ist eben eine Bahnlinie vorhanden. Das haben nicht viele. Darüber hinaus haben wir den Vorteil, dass diese Bahnlinie nicht in ein Bahnnetz integriert ist, sondern es sich hierbei um eine eigenständige 20 km lange Linie handelt. Dies bietet die Möglichkeit in einem adäquaten Rahmen Versuche durchführen zu können. Es können Testungen durchgeführt werden, wenn es sich beispielweise um Eisenbahnübergänge, Leittechnik oder auch um den Betrieb von automatisierten Fahrzeugen auf der Schiene handelt. 

Unsere grundsätzliche Aufgabe liegt dabei allfälligen Forschungsaktivitäten in diesen Bereichen die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen: z.B. auf der freien Strecke ein Fahrzeug, in einem Bahnhof eine Ladetechnik oder Mikro-ÖV zu testen. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Fragestellung „Wie kann ich eine alte Haltestelle wieder attraktiv gestalten?" – „Gibt es Umsteigepunkte – wie wir es im Rahmen eines FEMTech Praktikums mit dem Skigebiet Nassfeld visuell durchexerzieren, wo eine Umstiegsstelle zwischen der Eisenbahn und einem autonomen Bus den Individualverkehr reduzieren würde. Man sieht das Angebot von KAR-IN ist vielfältig.

Du hast nun erwähnt was alles in eurem Labor getestet werden kann. Wie kommuniziert ihr mit der Bevölkerung – speziell mit den Anrainer:innen? Was für Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?

Grundsätzlich basiert unser Mobilitätslabor auf der Gailtalbahn. Diese Bahnlinie wiederum ist historisch eingebettet in die Geschichte Österreichs. Besonders älteren Teilen der Bevölkerung ist dies daher ein Begriff. Als es dann zu dem Ereignis kam, dass die Gailtalbahn nicht mehr ein Teil des Netzbetriebes werden sollte, hat sich sofort ein sehr aktiver Verein gegründet, der sich dafür einsetzt, dass diese erhaltenswerte Bahnlinie bewahrt werden soll. Die Bahn selbst ist zu einem großen Teil positiv in der Bevölkerung hinterlegt. Sie hat auch den Vorteil gegenüber anderen Strecken, dass sie nicht durch dicht verbautes Gebiet fährt, sondern teilweise auch weit ab durch das Tal fährt. Das bedeutet, es können Arbeiten durchgeführt werden, die vielleicht etwas lärmintensiver sind. Dort wo sie die Bevölkerung berührt, ist sie meist am Rand eines Dorfes. Es gibt Personen, die sich gegen das Projekt aussprechen, aber dies ist nur vereinzelt der Fall.

Wie geht ihr damit um, wenn jemand stark negativ auf das Projekt eingestimmt ist?

Man kommt ins Gespräch. Man geht auch aktiv auf die Personen zu, die mit der negativ eingestellten Person leichter in Kontakt treten können. Man erforscht die Hintergründe der Person – was sind ihre Beweggründe und Sorgen? Bis jetzt gab es keine großen Konflikte, sondern eher Missverständnisse, die sich gut aufklären ließen. Wichtig ist nur stets eine offene Kommunikation an den Tag zu legen und ein offenes Ohr für die Anliegen der Bevölkerung zu haben.

Wie sieht denn euer Alltag im Mobilitätslabor aus? Mit welchen Akteuren arbeitet ihr am meisten zusammen? Welche Zielgruppen sprecht ihr an und wie versucht ihr diese zu erreichen?

Die Zielgruppen sind bei uns alle Bahnforschenden und alle Akteure aus dem System Bahn. Hier sind wir relativ gut vernetzt. Dies aufgrund historischer Entwicklungen und auch, weil Akteure von der Gailtalbahn aus dem System Bahn kommen. Darüber hinaus ist Kärnten an sich recht bahnzentriert – wodurch alles was Bahnbau, Bahntechnik etc. anspricht über Kontakte weitergegeben wird, auch die Information, dass es KAR-IN gibt und welche Möglichkeiten sich mit dem Projekt eröffnen.

Wie schaut der Laboralltag aus?

Wir befinden uns gerade in der Aufbauphase und das zentrale Thema, das wir zu bearbeiten haben, ist der einzig fehlende Teil: die Wagenhalle. Diese soll es ermöglichen, dass in einem geschützten Raum an einem Fahrzeug gearbeitet werden kann. Dies ist momentan die größte Herausforderung und bestimmt auch unseren Alltag. Hier beschäftigen wir uns mit Themen, die weg vom System Bahn führen – nämlich mit unter anderem Stahlbau, Fundamenten, Bauleistungen und Einreichungen, um dieses Bauwerk in die Umsetzung zu bringen. Gerade hier arbeiten wir mit den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, wo dann auch das Projekt KARAMBA gestartet wurde. Dabei geht es um die Übersiedlung eines Gewächshauses aus Oberösterreich nach Kärnten unter Einbindung möglichst vieler dieser Bauteile in den Neubau. Hier sollen zusätzlich Solarzellen und ein 300 Kubikmeter Regenwassermanagement mit eingeplant werden – womit Überschwemmungen entgegengewirkt werden kann. Der Bau selbst ist ein Forschungsobjekt. Da sind wir gerade dabei das noch vor dem Winter fertigzustellen, um auch die Anfragen, die es bereits gibt, abdecken zu können. Das ist momentan unser Alltag.

Man merkt schon bei deiner Schilderung der Inhalte, dass es sich dabei um ein Herzensthema deinerseits handelt. Was ist denn deine Motivation?

Grundsätzlich eine ziemliche Portion Verrücktheit, der Forschergeist – ich beschäftige mich schon seit Jahrzehnten mit dem System Bahn und, wenn man da mal drinnen ist, kommt man nicht mehr so leicht von diesem Thema weg – und die Faszination das System Bahn mehr zum Thema zu machen. Darüber hinaus motiviert mich diese Atmosphäre der Bevölkerung, die sich entwickelt hat und die sich dahingehend auch aktiv engagiert. Entstanden ist das Ganze aus einem Schüler:innenprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat in Kötschach ein Energie- und Mobilitätszentrum zu bauen. Sie haben in einer freien Arbeit auf einem Platz, der ihnen zur Verfügung stand ein drei geschossiges, Null Prozent versiegeltes Grüngebäude hin gebaut, in denen diese Thematiken erforscht werden. Das ist das Vermächtnis auf dem wir aufbauen. 

Das Projekt lebt nun mit KAR-IN etwas weiter. Es soll langfristig ein Zentrumspunkt für die vorhin genannten vier Säulen mit dem Thema Bahn geschaffen werden. Jedes Unternehmen und jeder Forschende möchte in KAR-IN forschen – das ist das Ziel. Unser Forschungslabor geht über das Thema der Mobilität hinaus und ist interdisziplinär angesiedelt.

Lieber Martin, vielen Dank für das Interview!