Abschlusskonferenz zum Projekt „FLADEMO – flächendeckende Mobilitäts-Servicegarantie“

07. April 2022
TU Wien

Bei der Abschlusskonferenz des Projekts FLADEMO am 07. April 2022 wurden Einblicke in die Forschungsergebnisse geboten und in einem interaktiven Austausch notwendige Rahmenbedingungen und Bausteine für eine Mobilitäts(service)garantie diskutiert.

Inhaltsbeschreibung

Am 07. April 2022 fand an der TU Wien die Abschlusskonferenz des Projekts „FLADEMO – Flächendeckende Mobilitäts(service)garantie“ statt, das im Rahmen der 15. Ausschreibung von Mobilität der Zukunft durch das BMK gefördert wurde. 

Das seit März 2021 laufende Projekt ist ein gemeinsames Vorhaben der TU Wien (Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik und Forschungsbereich Rechtswissenschaften), des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien, des Büros „Planung & Vielfalt“ sowie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Mit einer Projektdauer von 14 Monaten wurden im Rahmen von FLADEMO Wissensbausteine für eine flächendeckende Mobilitäts-(Service)garantie (fMSG) in Österreich erarbeitet und unterschiedliche Wirkungen möglicher Szenarien analysiert. Betont wurde bei der Veranstaltung aber auch, dass das Projekt keinen fertigen Vorschlag liefert, wie eine fMSG in Österreich ausgestaltet werden kann, sondern die Projektergebnisse vielmehr als „Gedankenexperiment“ zu verstehen sind.

5 Szenarien für eine österreichische Mobilitäts(service)garantie

Nach einer Begrüßung durch Günter Emberger von der TU Wien seitens des Projektkonsortiums und Walter Wasner vom BMK war Lucie Kirstein (Ehem. Koordinatorin zum Thema Innovative Rural Mobility bei OECD-International Transport Forum ITF) digital für eine Keynote zugeschalten. Sie thematisierte politische, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für eine Mobilitätswende im ländlichen Raum und schwerpunktmäßig die Rolle innovativer Mobilitätsangebote bei der Verbesserung der Mobilität abseits urbaner Zentren.

Ihre Kernempfehlungen umfassten die Formulierung einer landesweiten Erreichbarkeitsstrategie sowie die Schaffung kohärenter Steuerungs- und Finanzierungsrahmen, eine Neuordnung von Zuständigkeiten sowie eine Umstrukturierung der Verkehrsnetze. Des Weiteren sprach sie sich für eine Flexibilisierung der gesetzlichen Regelungen für neue Mobilitätslösungen, die Nutzung innovativer Finanzierungsansätze sowie die Bereitstellung technischer Unterstützung auf nationaler und regionaler Ebene aus. Die Bedeutung einheitlicher Standards und Governance-Strukturen sowie von adäquater Finanzierung und lokaler Expertise wurden im Hinblick auf eine Mobilitätswende im ländlichen Raum besonders hervorgehoben.

Im Anschluss präsentierte das Projektkonsortium Schwerpunkte aus der Arbeit an FLADEMO. Neben Status-Quo Analysen zu Mobilitätsverhältnissen, Nutzer:innenanforderungen sowie Zielen und Bausteinen der flächendeckenden Mobilitäts(service)garantie (fMSG) wurden fünf Szenarien für die Umsetzung einer solchen Garantie vorgestellt, die modellhaft zeigen, welche Wirkung verschiedene Maßnahmenkombinationen in Hinblick auf die Ziele Daseinsvorsorge, Barrierefreiheit und Ökologische Dimension hätten.

Angebote sind nur eines von mehreren Puzzlestücken

Hinsichtlich der Mobilitätsverhältnisse und Nutzer:innenanforderungen wurde auf regional heterogene Verhaltensmuster und die damit verbundenen Implikationen für die Ausgestaltung einer fMSG hingewiesen. Zusammenfassend verweisen die Erkenntnisse der durchgeführten Erhebung auf die Bedeutung vereinfachter Services und einen niederschwelligen Zugang für alle sozialen Gruppen. Zudem wurde von Teilnehmer:innen mehrfach die Relevanz einer durchgehenden Versorgung erwähnt. Daraus folgt ein Handlungsbedarf in Bezug auf Themen der Finanzierung und des Ticketing sowie räumliche, soziale und rechtliche Komponenten.

Die Auseinandersetzung mit dem verkehrsrechtlichen Rahmen zeigte die Anknüpfungspunkte der fMSG bei Richtlinien und Gesetzesgrundlagen auf, die sich mit den Mobilitätsplattformen, Verkehrsdienstleistungen und Verkehrsinfrastruktur befassen. Einerseits betrifft die Garantie die Datenzugänglichkeit und eine nichtdiskriminierende Darstellung der Daten, andererseits ist die beabsichtigte gemeinschaftliche Garantieerbringung mit bestimmten Qualitätskriterien verbunden. Abschließend wurden rechtliche Regelungen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und den USA präsentiert, welche die fMSG unterschiedlich ausgelegt haben.  

Als wesentliche Bausteine der Mobilitäts(service)garantie wurden neben einem Mindestmaß und einer Mindestqualität an Mobilitätsangeboten und Infrastrukturen auch eine Ausfall- bzw. Anschlussgarantie, ein Rechtsrahmen für die Entwicklung von offenen und neutralen Mobilitätsplattformen sowie die Gewährleistung eines flächendeckenden Angebots von Pooling-Plattformen erörtert. Das ausgewiesene Ziel einer fMSG umfasst dabei sowohl die soziale Dimension im Sinne einer Daseinsvorsorge und eines barrierefreien Zugangs, als auch die ökologische Dimension mit den nötigen Anreizen eines Umstiegs auf nachhaltige Mobilitätsformen.

Von lokalen Innovationen zum Gesamtsystem

Nach den Präsentationen gab es die Möglichkeit zur Diskussion, die rege genutzt wurde. Diskussionspunkte waren etwa kleinteilige Mobilitätsinnovationen im ländlichen Raum und ihre Einbettung in das Gesamtverkehrssystem oder die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Kommunikationsstrategien zur Attraktivierung nachhaltiger Mobilitätsservices. Eine anschließende Kaffeepause bot Gelegenheit zur weiteren Diskussion und zum Austausch.

Nach der Pause wurden die Ergebnisse der Wirkungsanalysen vorgestellt. Durch die Übersetzung der fünf zuvor vorgestellten Szenarien in das Verkehrsmodell „MARS“ (Metropolitan Activity Relocation Simulator) wurde eine grobe Abschätzung der Wirkungen auf nationaler Ebene aufgezeigt. Dabei wurde deutlich, dass die fMSG nur in den Szenarien mit weitreichenderen Maßnahmen und in Kombination mit Push-Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten kann.

Abschließend präsentierte der Forschungsbereich Rechtswissenschaften (TU) seine Forschungsergebnisse zu den rechtlichen Möglichkeiten für die Umsetzung einer Mobilitätsgarantie.

Es ergeben sich zwei Möglichkeiten: Die Verankerung auf verfassungsrechtlicher Ebene im Sinne des Grundrechtes auf Mobilität und Staatszielbestimmungen Mobilitäts(service)garantie, oder die Verankerung in einem einfachen Gesetz. Die letztere Option wirft Fragen der Zuständigkeit, einer gesamthaften Verankerung in bestehende Mobilitätsgesetze sowie hinsichtlich der Ausgestaltung der Garantiebausteine auf. Die Ausarbeitung dieser Fragestellungen hat gezeigt, dass die Zuständigkeit für die Festlegung der einzelnen Bausteine aufgrund der Gesetzeslage beim Bund liegt – mit der Empfehlung, die Verankerung der Bausteine als einfaches Gesetz mit folgenden Punkten einzubinden:

1) Schärfung der inhaltlichen Grundsätze und Zielvorgaben für Planung und Bereitstellung von Infrastruktur

2) Vorgaben an Aufgabenträger zur Bereitstellung eines bestimmten Mindestangebots an Mobilitätsdienstleistungen

3) Ausfalls-/Anschlussgarantie als Sondergewährleistungsbestimmung

4) Ordnungsrahmen für offene und neutrale Mobilitätsplattformen

5) Vorgaben an Aufgabenträger zur Bereitstellung von Vermittlungsplattformen für Pooling

In einem anschließenden Diskussionsteil wurde auf die Bedeutung von standardisierten und harmonisierten Daten zur Entwicklung von integrierten Services referenziert, die Bedeutung von Bürger:inneneinbindung in die Ausgestaltung von neuen Mobilitätsdienstleistungen thematisiert und ökonomische Aspekte und Finanzierungsinstrumente diskutiert. Die Veranstaltung mit über 30 angemeldeten Expertinnen und Experten ermöglichte auch einen umfassenden Wissensaustausch.

Das Projekt endet mit 30. April 2022. Weiterführende Informationen und Meilensteinberichte des Projekts sind auf der Webseite der FFG abrufbar.